Notdienst in Deutschland – arbeiten unter Mindestlohn
Der Ärztemangel ist in Deutschland voll angekommen. Das merken Ärzte und Patienten gleichermaßen schmerzhaft. Übervolle Wartezimmer, lange Wartezeiten und von Sprechzimmer zu Sprechzimmer hetzende Ärzte, die der Patientenflut kaum Herr werden können und mit Arbeitszeiten zumeist deutlich über 12-14 Stunden pro Tag am Limit arbeiten, zeugen allerorten davon. Als Hausarzt kann ich dies aus meiner täglichen Arbeit eindeutig bestätigen, auch wenn die tollen Statistiken der Krankenkassen uns etwas ganz anderes weismachen wollen (ist ja alles gar nicht so schlimm, ist ja nur ein „Umverteilungsproblem…“).
Insbesondere für die Sicherstellung des Notdienstes außerhalb der Sprechstunden der Arztpraxen musste eine neue Regelung gefunden werden, da aufgrund der immer weiter schrumpfenden Anzahl von Ärzten, die Dienstbelastung pro Arzt immer weiter anstieg. Daher wurden seit mehreren Jahren flächendeckend in Bayern sogenannte „Portalpraxen“, meist an die Notaufnahmen der Krankenhäuser angebunden, von der Kassenärztlichen Vereinigung ins Leben gerufen. Hierhin sollen sich Patienten primär wenden, wenn das Kreuz zwickt oder die Nase läuft und sich keine geöffnete Arztpraxis finden läßt. Bisher waren die Notaufnahmen der Krankenhäuser hierfür oft Anlaufstellen. Da dies leider erhebliche Kosten verursacht, welche von den Krankenkassen nicht ansatzweise erstattet werden, sind die Notaufnahmen bisher dicke Minusgeschäfte für die Krankenhäuser. Diese sind also sehr interessiert daran, die Patientenströme in die Portalpraxen umzuleiten und so Kosten zu sparen.
In diesen Portalpraxen werden nun die niedergelassenen Ärzte zum Dienst verpflichtet ohne sich gegen die Verpflichtung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen wehren zu können. Schließlich haben sie ja auch den hippokratischen Eid geschworen – selbst schuld! Auch bei kurzfristiger Erkrankung des Arztes vor dem Dienst – ein „normaler“ Patient geht einfach in die nächste Arztpraxis und läßt sich den „gelben Zettel“ ausstellen – ist eine Befreiung vom Dienst nicht möglich. Es droht eine Strafzahlung von 800€ für den – trotz Krankheit – nicht angetretenen Dienst! Glücklicherweise muss man manchmal doch nicht zahlen. Als Entschuldigung zählt immerhin die künstliche Beatmung des Arztes auf einer Intensivstation, wie mir auf der Einführungsveranstaltung zu den Portalpraxen versichert wurde. Na immerhin! Sehen Sie sich also Ihren behandelnden Arzt in der Portalpraxis gut an, bevor Sie ihm die Hand schütteln – vielleicht ist er kränker als Sie, kann sich aber den Krankheitstag leider nicht leisten… Aber Ibuprofen, Paracetamol und Co wirken ja bekanntlich Wunder und sparen vielleicht sogar 800€!
Gleichzeitig wird der Arzt für seinen Dienst am Sonntag Abend fürstlich entlohnt – nämlich mit einer Bereitschaftspauschale deutlich unter dem derzeitigen deutschen Mindestlohn. Macht aber nix – er kann sich ja nicht dagegen wehren… Die ihn unterstützende Arzthelferin wird zumindest mit knapp 15€ Stundenlohn vergütet – immerhin schonmal was! Hat man als Arzt nun das Pech, in einer Region Dienst zu tun, in welcher sich die Existenz der Portalpraxis noch nicht herumgesprochen hat oder die Patienten doch lieber die Notaufnahme des nächstgelegenen Krankenhauses besuchen (die Fahrt zur nächsten Portalpraxis kann weit sein und in der Nacht sind bekanntlich alle Katzen grau…), kommt zur Bereitschaftspauschale auch nichts mehr hinzu.
Nein, ich will an dieser Stelle nicht jammern. Ärzte sind ja bekanntlich Großverdiener, weshalb man Ihnen ja gut ab 01.01.2019 1% des Praxisumsatzes als „Strafe“ dafür abziehen kann, wenn sie sich für den Datenschutz der ihnen anvertrauten Patientendaten und gegen die Installation des „Telematik-Konnektors“ entscheiden, der die Patientendaten „in die Cloud“ versendet, damit künftig alle Patienten mit ihrem Smartphone rund um die Uhr Zugriff auf ihre letzten Psychodiagnosen haben können – interessiert ja vielleicht auch noch andere die sich ungebetenen Zugriff auf den Server verschaffen könnten, aber egal, wir müssen endlich digital werden im Gesundheitswesen! Sagt uns zumindest der Herr Spahn. Aber vielleicht wurde der im Bundestag letztens ja nicht gehackt. Bestimmt sind unsere Gesundheitsdaten in der Cloud auch viel sicherer als die Daten der Mitglieder des Bundestags (was einen da wohl mehr beunruhigt?), man weiß es nicht… Widersprechen können Sie als gesetzlich versicherter Patient übrigens nicht – ihre Daten wandern in die Cloud ob Sie wollen oder nicht – wurde mir von der KV Bayern erst gestern schwarz auf weiß als Antwort auf meinen Widerspruch gegen die Strafzahlung mitgeteilt. Alles also rechtens und in Butter! Um den Datenschutz bräuchte ich mir da gar keine Sorgen zu machen… Schließlich gäbe es dafür ja extra Ausnahmen von der uns ansonsten alle so unerbittlich quälenden DSGVO (Datenschutzgrundverordnung).
Aber ich will Sie zuletzt nun doch ermuntern sich im Notdienst gerne an die Portalpraxen zu wenden. Der dort unterhalb des Mindestlohns tätige Arzt wird sich freuen, Sie als Patienten am Sonntag Abend um 9 Uhr begrüßen zu dürfen, um seine Bereitschaftspauschale doch noch etwas aufzubessern. Nutzen Sie das Angebot der Portalpraxen! Sich informieren und einen Termin vereinbaren können Sie bayernweit unter der Telefonnummer 116 117.
Zögern Sie nicht – ab in die Portalpraxis!